4. Überblick über die europäischen Großstaaten.
59
stände war fast jede Beteiligung am Politischen Leben durch die Ordonnanzen unmöglich gemacht. Des Königs sester Wille war, nicht nachzugeben. „Die Zugeständnisse", sagte er, „haben Ludwig Xvi. zu Fall gebracht; mir bleibt die Wahl, entweder mein Pferd oder den Karren zu besteigen."
Der Widerstand gegen des Königs Verordnungen wurde bald allgemein. In der Nacht vom 27. zum 28. Juli organisierte sich unter Beteiligung von Arbeitern und eines Teiles der Nationalgarde der Aufstand. Während eines mörderischen Straßenkampfes am 28. Juli schlossen sich mehrere Regimenter den Aufständischen an. Die Hauptstadt war für den König verloren. Zu spät suchte der König einzulenken. Als er am 29. Juli die Ordonnanzen zurücknahm, war bereits eine vorläufige Regierung im Stadthause eingesetzt. Der Herzog Louis Philipp von Orleans wurde zum König ausgerufen. Karl X. starb 1836 zu Görz.
(S)ic Trennung Belgiens von Holland 1830. Der Wiener Kongreß hatte Belgien und Holland zu einem Königreich vereinigt und Wilhelm von Oranien zum König eingesetzt. Die Vereinigung hatte keinen Bestand; denn die Verschiedenheit in Religion, Sprache und Erwerbsleben bildete zwischen Belgiern und Holländern eine tiefe Kluft. In Belgien war das katholische, in Holland das reformierte Bekenntnis vorherrschend. Die holländische oder niederländische Sprache ist eine niederfränkische Mundart, gehört also zum germanischen Sprachstamme, während in Belgien sich allmählich die französische Sprache eingebürgert hat und in Südbelgien noch das Wallonische, ein Gemisch von romanischen und keltischen Sprachelementen, gesprochen wird. Die Bewohner Belgiens sind neben Ackerbau hauptsächlich auf Industrie angewiesen; die Holländer treiben vorzugsweise Handel, Schiffahrt und Viehzucht.
Die Holländer betrachteten sich nach 1815 als die Herren und nahmen auf die Eigenart des belgischen Volkes keine Rücksicht. Die Mehrzahl der Beamten waren Holländer; der König und die obersten Verwaltungsbehörden hatten ihren Sitz in Holland.
Die französische Julirevolution gab Anlaß zur Erhebung; man erstrebte nicht Verständigung, sondern Trennung. Am Abend des 25. August begann in Brüssel der Aufstand, der sich bald über das ganze Land verbreitete. Nur wenige Festungen, darunter Antwerpen, konnten die Holländer halten. Als auch diese Festung von den Aufständischen genommen wurde, erklärte der Nationalkongreß die Unabhängigkeit Belgiens und den Ausschluß des Hauses Oranien von der belgischen Thronfolge.
Ein Kongreß der Großmächte in London bestätigte die Trennung und ordnete die Grenzen. Ein Verwandter des englischen Königshauses, Prinz Leopold von Sachsen -Koburg, erhielt mit Zustimmung des belgischen Volkes die belgische Königskrone.
Die getrennten Gebiete. Belgien. Leopold I. regierte von 1831—1865. Dadurch, daß er dem Lande eine freisinnige Verfassung gab und eine
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xvi Ludwig Louis_Philipp_von_Orleans Philipp Karl_X Karl Wilhelm August Leopold_von_Sachsen_-Koburg Leopold Leopold_I.
Extrahierte Ortsnamen: Belgiens Holland Holland Belgien Holland Belgien Südbelgien Wallonische Belgiens Holland Belgiens London Belgien
22
Europa,
Franken die alleinigen Herren des Landes wurden, bewahrte die Bevölkerung
die gallische Eigenart. Ihr Abbild sind im wesentlichen ihre Nachkommen, die
heutigen Franzosen. Diese sind geistig wohlbegabt, redegewandt, im politischen
Leben sehr leidenschaftlich, in allen Schichten der Gesellschaft von lebhaftem Na-
tionalgefühl erfüllt, immer bereit, für ihre Größe, ihren Ruhm jedes Opfer zu
bringen; im ersten Angriffe tapfer und furchtbar, entbehren sie der nötigen
Zähigkeit und besonnenen Ruhe. Sie vermögen nicht leicht, fremden Völkern —
vor allen uns Deutschen — Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Losgelöst aus dem Reiche Karls des Großen (843), geriet das westfrän-
kifche Reich in Verfall und blieb im Mittelalter vielfältig zerrissen; nachdeni aber
das Königtum allmählich erstarkt war, richteten sich in der neuern Zeit die ge-
einigten Kräfte des Landes siegreich nach außen. Auf Kosteu Spaniens, Deutsch-
lands und Italiens wurden bis in die Neuzeit die Grenzen erweitert. Groß
war der Einfluß, den Frankreich seit Ludwig Xiv. aus das übrige Europa im
Staatsleben, durch wissenschaftliche Forschungen und durch Verbreitung neuer
Anschauungen, Einrichtungen und Moden ausübte. Erst seit dem verlustreichen
Kriege von 1870/71 hat dieser maßgebende Einfluß Frankreichs nachgelassen.
Die Hauptmasse der Bevölkerung (gegen 35 Mill.) gehört dem
Stamme der Franzosen an. Kelten leben noch in der Bretagne,*) Basken
in den West-Pyrenäen. Deutsche am zahlreichsten in Lothringen und in
Paris. Flamänder gegen die belgische Grenze hin, Italiener auf
Corsica und in Nizza. —98% der Bevölkerung sind katholisch, 1,6%
evangelisch.
(>. Regierungsform, Einteilung und Städte. Die Regierungsform
ist seit 1870 republikanisch. Das Land ist amtlich nach Fluß- und Ge-
birgsgrenzen in 86 Departements eingeteilt, die aber keine Verwaltuugs-
gebiete sind; dazu kommt das Territorium von Belfort. Nach den 6 natür-
lichen Bodenteilen ordnen sich die Städte wie folgt.
A. Becken der Seine.
Die Hst. des Reiches, Paris, liegt an der Seine, da, wo sie durch deu
Zufluß der' Marne auch für die größten Flußschiffe befahrbar wird. Mit 2,->
Mill. E. ist sie die bevölkertste Stadt des europäischen Festlandes, der erste In-
dnstrieplatz des Landes und im Gebiete der Mode wesentlich tonangebend für
die übrige Welt. Zugleich ist sie die erste Handelsstadt Frankreichs, sowie einer
der ersten Geldmärkte des Festlandes von Europa. Der Ausspruch: „Paris ist
Frankreich" ist noch heute gültig. Die Weltstadt mit ihren Reichtümern schützen
sehr zahlreiche, der älteren Umwallnng weit vorgeschobene Werke, eine Fläche,
fast halb so groß wie Mecklenbnrg-Strelitz, mit volkreichen Städten (u. a. Ver-
sailles) und zahlreichen Ortschaften umschließend: die größte Lagerfestung der
Erde. In Versailles, 15 km w.s.w. von Paris, das Schloß Ludwigs Xiv.
mit Park und Wasserkünsten. Hier wurde am 18. Januar 1871 König Wil-
Helm I. zum deutschen Kaiser ausgerufen.
Der Norm and ie gehört die untere Seine an. An ihr Ronen (115000 E.),
für Seeschiffe noch erreichbar, Hauptplatz für Baumwollgarn, und L e Ha vre
jde Gräee, 115000 E.), an der Mündung, wichtigster Handelshafen Frank-
*) D. i. Britaiinia, so genannt mit dem Zusätze minor, als die Briten Großbri-
tanniens im 5. Jahrh. n. Ch. vor den Angelsachsen hierher flüchteten.
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Extrahierte Personennamen: Karls Ludwig_Xiv Ludwig Ludwigs Britaiinia
Extrahierte Ortsnamen: Europa Spaniens Italiens Frankreich Europa Frankreichs Bretagne West-Pyrenäen Lothringen Paris Corsica Nizza Belfort Paris Frankreichs Europa Frankreich Mecklenbnrg-Strelitz Versailles Paris Schloß_Ludwigs_Xiv Frank-
— 218 —
Staat, fühlte sich mit Recht als der geeignetere zur Übernahme der Vorherrschaft. Mehr als diese Entscheidung hatte der große preußische Minister Bismarck durch den Krieg von 1866 nicht erreichen wollen-Er sah weiter in die Zukunft als alle, sah die Seit kommen, da Deutschland und Österreich gegen gemeinsame Feinde wieder treu zusammenstehen müßten. Daher rang Bismarck seinem geliebten Könige den diesem so schweren Entschluß ab, den Krieg durch einen Österreich schonenden Frieden schnell zu beenden. Damit hat er seinem König am treuesten gedient und Deutschland in einer Entscheidungsstunde auf den richtigen Weg gewiesen.
Daß es der richtige weg war, zeigte sich schon zwölf Jahre später, als die alte Freundschaft Preußens und Rußlands zu schwanken begann (s. 4 und 5). Entweder, so forderte der russische Zar, solle Deutschland mit Rußland durch dick und dünn gehen, ober es gäbe Krieg zwischen ihnen. Da konnte nun Bismarck (1879) mit dem versöhnten Österreich ein Bündnis schließen des Inhalts: Greift Rußland Deutschland oder Österreich an, so stehen sich beide mit ganzer Kraft bei. Greift eine andere Macht einen der Verbündeten an, also etwa Frankreich Deutschland oder Italien Österreich, so beobachtet der nicht Angegriffene wohlwollende Neutralität,- hilft aber Rußland dem Angreifer, so stehen sich wieder beide Verbündete bei. Dabei ist es geblieben; wo der Feind drohte, waren Österreich und Deutschland wieder vereint und mächtiger, als vor dem Kriege von 1866. — Später (1882) trat noch Italien dem Bunde bei.
Im Inneren war Österreich-Ungarn nach seinem Ausscheiden aus Deutschland in eine immer schwierigere Lage geraten. Die Doppelmonarchie ist zwar von Deutschen gegründet und als deutscher Staat mächtig geworden; war doch seit Jahrhunderten die deutsche Kaiserwürde im Hause Habsburg erblich. Aber Österreich ist aus vielen Völkerschaften zusammengesetzt. Die Deutschen sind wohl in der ganzen Monarchie verbreitet, bilden aber nur in der österreichische" Reichshälfte die Mehrheit. Geschlossen wohnen sie nur in Ober- und Niederösterreich und in den Alpenländern; in Schlesien bilden sie nocq die Hälfte der Bewohner, in Böhmen und Mähren etwa ein Drittel in Galizien ein Fünftel, in Ungarn ein Achtel. Zu diesem Achtel gehören die Siebenbürger Sachsen. In Ungarn sind die Magyaren vorherrschend, in Böhmen die Tschechen, in Galizien Polen und Ruthenen, in Südtirol und Triest Italiener. Dazu kommen noch Slowaken, hauptsächlich in Mähren und Nordungarn, Slowenen
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Frankreich_Deutschland Italien Deutschland Italien Deutschland Niederösterreich Galizien Ungarn Sachsen Ungarn Galizien_Polen Triest
— 219 —
hauptsächlich in Krairt, Serben und Kroaten in Kroatien, Rumänen in $übo[t=Ungarn.
Hlle diese Völkerschaften vertragen sich untereinander gar nicht Mt. vor allem hatten die Magyaren schon lange eine Rusnahme-j^Uung haben wollen, (bleich nach dem Krieg von 1866 gelang es %en: Ungarn wurde ein selbständiges Königreich, dessen Herrscher 3töar der Kaiser von Österreich ist, der aber dort nicht Kaiser, sondern ^önig von Ungarn heißt. (Ein Magyar nimmt es jetzt sehr übel, wenn ihn Österreicher nennt ober Ungarn zu Österreich rechnet. Gemeinem blieb den beiden Reichshälften nur das Heerwesen, die Leitung ^ auswärtigen Angelegenheiten und die auf beide bezügliche Geld-Pertoaitung. 3m übrigen wollte Ungarn nur magyarisch sein. Hlle Lande sollten Magyarisch sprechen und schreiben, auch die Deutschen ln Siebenbürgen. Deren gute, alte Ortsnamen änderte die magyarische Regierung, z. B. Zünfkirchen nannte sie Pecs, Hermannstadt Nagy bzeben, Kronstadt Brassö usw. — wie die Magyaren in Ungarn, so Ersuchten es die Tschechen in Böhmen, die Deutschen zu bedrängen ^Ud sich ßu Herren im Lande zu machen. So haben sie z. B. in der Hauptstadt Prag nur tschechische Straßenschilder, so daß jemand, der Uicht die tschechische Sprache versteht, sich in Prag kaum noch zurechtzufinden vermag. Dieses Treiben ließen sich die Deutschen, obwohl ltt der Minderzahl, natürlich nicht gefallen, und so kam es zu den N%sten Streitigkeiten, in Prag einmal zu offenem Rufruhr und zu Mißhandlungen der Deutschen auf der Straße.
Diese U)irren gingen dem greisen Kaiser Franz Josef sehr nc*he. Er war im Jahre 1848, erst 18 Jahre alt, auf den Thron gekommen, hatte viele, meist unglückliche Kriege geführt, hatte Cdber* Poliert und die Vorherrschaft in Deutschland verloren und mußte nun fefyen, tote das ganze Reich unter innerem Zwiste litt und sich in Teile aufzulösen drohte. Ruch schweres Familienunglück hatte ihn getroffen. Sein einziger Sohn, der Thronfolger Rudolf, dann seine Gemahlin, Kaiserin (Elisabeth, waren ihm ermordet worden (1889 und 1898), Un^ endlich (28. Juni 1914) erschossen serbische Meuchelmörder seinen ^ffen und Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Gemahlin. Diese Untat ward der letzte Rnlctß zum Rusbruch des Weltkrieges (Nr. 90,2).
3. Italien. Das schöne Italien, für die Deutschen von jeher e*n £and der Sehnsucht, war durch seine (Einigung (Nr. 78, 1) die sechste Europäische Großmacht geworden (neben Deutschland, Österreich* ^ugarn, Rußland, England und Frankreich). (Es schuf sich ein stattliches
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Extrahierte Personennamen: Nagy Franz_Josef Franz Rudolf Rudolf Elisabeth Franz_Ferdinand Franz Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Kroatien Ungarn Hermannstadt Kronstadt_Brassö Ungarn Prag Prag Deutschland Italien Italien Deutschland England Frankreich
68
Rußland ist. Die Pelen zeichnen sich durch Vaterlandsliebe, Tapferkeit,
militärisches Talent, Gelehrigkeit und Lebhaftigkeit aus. Während die
niedern Volksklassen als unreinlich, trunken und servil geschildert wer-
den, erscheinen die Vornehmen fein, nüchtern, höflich und sehr stolz. Die
Polen bekennen sich zur römisch-katholischen Kirche. Polnische Ordnung
auf den ehemaligen Reichstagen ist sprichwörtlich geworden.
Warschau, 170,000 E. (10,000 Juden), Univers., Residenz des Statt-
halters. Festung und Vorstadt Praga an der Weichsel. Kalisch, 12,600 E.
und Ljubliu, 19,000 E. Ostrolenka. Wallfahrtsort Czenstochau an der
Warthe.
8 54.
Das Königreich Schweden «nd Norwegen.
(13,830 Q.-M., 5,703,000 Einw.)
Schweden und Norwegen bildeten vom Jahre 1397 bis 1524 mit
Dänemark ein großes Reich, welches die dänisch-norwegische Königin Marga-
retha durch die in der schwedischen Stadt Calmar geschlossene Union vereint
hatte. 1524 riß sich Schweden von der Union wieder los und ward ein
selbständiges Königreich. Als endlich Schweden 1814 sich zu Napoleons
Gegnern schlug, erhielt es als Preis für seinen Beistand das Land Norwegen,
welches den mit Frankreich verbündeten Dänen durch den erwählten Kron-
prinzen von Schweden, den vormaligen französischen Marschall Bernadotte,
entrissen wurde. Seitdem bilden die beiden Königreiche eine gemeinschaftliche
Monarchie, jedes hat aber seine eigene Verfassung und Verwaltung. Die
Finanzen befinden sich in einem günstigen Zustande.
In Schweden ist der König durch einen Reichstag eingeschränkt, welcher
sich in jedem fünften Jahre versammelt. In Norwegen genießt das Volk
größere Vorrechte, als die Schweden haben. Das Volk wählt nämlich eine
Versammlung von 75 bis 100 Mitgliedern, den Storthing, welcher alle
3 Jahre ohne besondere Berufung auf drei Monate in Christiania zusammen-
tritt. Diese Versammlung theilt sich in 2 Kammern; haben diese einen
Gesetzes-Vorschlag berathen und angenommen, so bedarf derselbe noch der
Bestätigung des Königs, welcher ihn jedoch auch verwerfen kann. Wird aber
derselbe Vorschlag von den beiden folgenden Storthings erneuert, so muß er
Gesetzeskraft erhalten. Beide Reichstage haben die Steuern festzusetzen.
Die Schweden und Norweger sind deutschen Stammes, und bilden den
Kern der Landesbevölkerung; im diorden wohnen Finnen und Lappländer.
Die herrschende Religion ist die lutherische; die Lappen sind zum Theil noch
Heiden. Für das Volksschulwesen ist so gut gesorgt, daß man unter den
Schweden und Norwegern wohl selten Jemand findet, der nicht schreiben und
lesen kann. In Norwegen muß Jeder, der confirmirt werden soll, lesen
können, Jeder, der heirathen will, confirmirt sein, und wer im 20. Jahre
nicht confirmirt ist, kann gewaltsam im Zuchthause angehalten^werden, das
zur Confirmation Erforderliche zu leruen. Während aber die Schweden und
Norweger durch ihre Bildung und geistige Kraft eine hervorragende Stellung
Kitter den Earopäern einnehmen, stehen die Lappen und Finnen noch auf einer
niedern Culturstufe. Die Lappen sind insbesondere Nomaden, welche mit
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Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Iv. Die Revolutionszeit. 287
alles Geschehene; er wünschte sehnlich, daß Oestreich mit den romanischen Völkern im Bunde Preußen und Rußland demüthige. Schade, daß eben jetzt Königin Jsabella, die er itm ihrer Ergebenheit willen besonders auszeichnete, (Sept. 1868) von ihren spanischen Unterthanen verjagt wurde. Im Dez. 1869 versammelte er alle Bischöfe der katholischen Welt zu einem Concil, das seinen Anspruch aus Unfehlbarkeit und auf Vereinigung der vielgetheilteu Völker unter seinem milden Scepter gut heißen sollte.
11. Nordamerika und die Kolonieen.
§ 108. Daß der nordamerikanische Freiheitskampf für Europa nicht ohne Einfluß blieb, haben wir § 95 gesehen. Von ihm rührt die Begeisterung fürs Verfaf-fimgiuachen her, die seither überall auftaucht. Er trug die Revolutionsideen nach Frankreich; und von hier kehrten sie zunächst auf die Insel Haiti zurück. Spanier und Franzosen hatten ba mit Negersklaven die Zucker-bereitung gewaltig emporgebracht, und zugleich eine ansehnliche Mischklasse über die Insel verbreitet. Als nun die Weißen für die Revolution im Muttertanbe schwärmten, verlangten die Braunen ihren Antheil an den neuen Rechten und die Schwarzen sahen gleichfalls das Morgenroth einer Freiheit und Gleichheit, wie sie ihnen beliebte. Ein Aufstanb brach 1791 aus, in welchem die Pflanzer ausgerottet wurden und die Insel sich fast in eine Wüste verwandelte. Die Versuche der Franzosen, sie wieder zu unterwerfen, mißlangen. Bald kamen grausame Neger wie Dessalines 1804, bald gutmüthige wie Christoph (t 1820), bald gewandte Mulatten, wie Petion, Boyer an's Ruder; letzterer vereinigte 1822—44 die spanische Hälfte der Insel mit der französischen, ohne daß doch dieses Band oder sonst irgend eine Ordnung laug gedauert hätte. Der Fluch der Unwissenheit und des Farbenhasses, der auf der Insel ruht, macht dort jede Staatseinrichtung zu einer bloßen Phrase oder Fratze. Mit dem Beispiel Haitis bewies man seither, daß die Neger mit der Frei-
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Weltkrieg
Inhalt: Zeit: 1914-1918
— 3 —
diese überseeischen Kriegserklärungen noch keinen Einfluß gehabt. Rber sie zeigen den Umfang des englischen und amerikanischen Einflusses in der toelt und zeigen, wie schwer wir 'Deutschen es auch nach endlich erreichtem Frieden haben werden. Zunächst haben die neuen Gegner überall die in ihren Häfen liegenden deutschen Handelsschiffe sich angeeignet und scheinen auch sonst sich gegen Deutsche und deutsches Eigentum vergangen zu haben.
Rujzer jenen Völkern bekämpfen uns in englischem Solde noch Rustralier, Kanadier, Kapländer und Indier,- in französischem nordafrikanische Eingeborene und Senegal» neger. Die Russen verfügen über das ganze Dölkerg emisch Sibiriens.
2. Oie Kriegsschauplätze. Der Weltkrieg spielte sich bisher auf folgenden Kriegsschauplätzen ab:
A. Europa.
1. 3 m Idesten: Belgien, Elsaß-Lothringen, Frankreich. Deutsche gegen weiße und farbige Franzosen und Engländer.
2. Im Osten: Ostpreußen, Galizien, Rußland. Deutsche, (Österreicher und Ungarn gegen Husten.
3. Im Süden: Istrien, Südtirol,Oberitalien. Österreicher, Ungarn und Deutsche gegen Italiener.
4. Balkanhalbinsel: Deutsche, Österreicher, Ungarn, Bulgaren gegen Serben und Ütontenegriner, Franzosen, Engländer und Italiener, Rumänen und Russen.
5. Dardanellen: Türken (und Deutsche in türkischen Diensten) gegen Franzosen und Engländer.
B. Rsien.
6. Kaukasus und Nordpersien: Türken gegen Russen.
7. Mesopotamien und Palästina: Türken gegen Engländer.
8. Kiauts chou: Deutsche gegen Japaner und Engländer.
C. Rfrika.
9. Ägypten: Türken gegen Engländer.
10. Deutsch-Südwestafrika: Deutsche gegen Engländer und Buren.
1 *
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Ii. Philipp Ii. von Spanien und der Abfall der Niederlande.
153
keinen Schritt näher; die Wassergeusen hatten manchen Erfolg; dem Wohlstände des Landes drohte die Vernichtung, so daß Philipp Alba endlich abrief (1573). Aber auch sein Nachfolger Requesens (spr. Rekesens) vermochte bei der verzweifelten Tapferkeit der Geusen, die bei der Belagerung von Leiden die Dämme durchstachen, nichts auszurichten. Zum bleibenden Andenken an die Rettung Leidens wurde später die Universität gegründet. Gleichfalls ergebnislos waren die diplomatischen und kriegerischen Bemühungen von Philipps Halbbruder Don Juan (spr. Chuän) d’Austria, dem Sieger von Lepanto (1571) über die türkische Flotte. Erst dem großen Feldherrn und Staatsmann Alexander von Parma, Margaretens Sohne, gelang es die wallonische (romanische) und überwiegend katholische Bevölkerung des Südens für sich zu gewinnen, während die sieben nördlichen germanischen und überwiegend calvinischen Provinzen 1579 die Utrechter Union schlossen.
2. Die Befreiung der Niederlande und Spaniens Niedergang. § 127.
a) Der Freiheitskampf bis 1609. Das war der Anfang des neuen Staatswesens, dessen Leiter Wilhelm von Onanien wurde.
Als dieser von dem katholischen Fanatiker Balthasar Gerard zu Delft (1584) ermordet war, wurden seine Söhne Moritz (f 1625) und dann Friedrich Heinrich als „Statthalter“ die Häupter der Republik.
Aber ohne auswärtige Hilfe vermochten die Staaten, zumal selbst • durch zahlreiche Streitigkeiten veruneinigt, der Macht Alexanders von Parma, der nach dem Falle von Antwerpen (1585) den ganzen Süden in seiner Gewalt hatte, nicht zu widerstehen. Die englische Unterstützung unter Elisabeths Günstling, dem Grafen Leicester, nützte wenig; aber Rettung brachte den Niederlanden der zwischen Spanien und England ausbrechende Krieg (§ 129) und die Vernichtung der Armada unter dem Herzog Medina Sidonia 1588. Nach zahlreichen Kämpfen kam es 1609 zu einem 12jährigen Waffenstillstände, nach dessen Ablauf der Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden in den Dreißigjährigen Krieg einmündete.
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Ii Philipp Philipp_Alba Philipp Philipps Philipps Lepanto Alexander_von_Parma Alexander Margaretens Wilhelm Balthasar_Gerard Moritz_( Friedrich_Heinrich Friedrich Heinrich Alexanders_von_Parma Alexanders Elisabeths_Günstling
— 129 —
durch den Rhein-Marne-Kanal mit dem Rhein und durch
den Kanal von Burgund mit der Saöne und Rhone ver-
bunden. Die Rhone steht sodann vom Doubs aus durch den
Rh ein-Rhone-Kanal mit dem Rhein und durch den Mittel-
kanal (canal du centre) von der Saöne aus mit der Loire in
Verbindung, und der Süd kanal (canal du midi) verbindet die
Garonne mit dem Mittelländischen Meer.
Bewohner. Über 900/0 der Bewohner sind der Nationalität
und der Sprache nach Franzosen. Von den übrigen sind etwa
l/z Belgier (im N), ein zweites Drittel Italiener (im S); die
übrigen sind Deutsche (90000), Spanier, Schweizer, Briten. Der
Religion nach gehören 98% der Bevölkerung der römisch-katho-
lischen Kirche an; die übrigen sind Reformierte und Juden.
Landwirtschaft (Acker- und Gartenbau sowie im N und Nw
die Viehzucht) und gewerbliche Tätigkeit sind die beiden Haupt-
beschäftigungen der Bewohner. Mehr als die Hälfte des
Bodens ist Acker- und Gartenland, das, fleißig und sorgsam be-
baut, besonders Weizen, Wein, Obst und Oliven erzeugt. Die
Erzeugnisse des Gewerbsleißes (Seiden-, Leinen-, Woll- und
Baumwollwaren, Spitzen, Uhren, Schmucksachen) stellen Frankreich
in die Reihe der ersten Industrieländer Europas (England,
Deutschland, Belgien); hervorragend ist Frankreich seit langem in
allen Zweigen des Kunstgewerbes. Wein, Ol, Rohseide, Seiden-
waren, Luxus- und Modewaren sind Frankreichs hauptsächlichste
Ausfuhrgegenstände.
Staatenkundliches. Frankreich ist seit dem 4. September 1870
Republik. Es ist so groß wie das Deutsche Reich (536000 qkm), hat aber
nur etwa 40 Mill. Einwohner, 74 auf 1 qkm. Seine auswärtigen Be-
sitzungen sind zusammen 2l/2 mal so groß als die Deutschlands; die be-
Äeutendsten Kolonien sind die afrikanischen. Frankreich ist nach England
der größte Kolonialstaat. Städte in Frankreich?
Das Königreich Belgien.
Lage und Grenzen. Mit welchen Teilen Mittel- und Süddeutsch-
lands liegen N- und S-Grenze ungefähr unter einer Breite? Bestimme
die Grenzen! Welcher Form nähert sich das Kartenbild?
Belgien umfaßt den nw-sten Teil des deutschen Mittelge-
birges und die fw-ste Fortsetzung des Norddeutschen Tieflandes
bis in die Nähe der Straße von Calais.
Oberflächenbild. Die Folge des Bodens ist im allgemeinen
dieselbe wie in Norddeutschland. Man unterscheidet von So
nach Nw Hoch-, Mittel- und Niederbelgien.
Den Hauptteil von Hochbelgien bilden die Ardennen.
Diese sind gleich dem Rheinischen Schiefergebirge ein flaches, von
gewundenen, zum Teil tief eingeschnittenen Tälern bestehendes
Hochland. In der sö-en Hälfte ist es mit Heiden und Hochmooren
bedeckt, weiter nach Nw eignet es sich besser zum Anbau. Die
N-Grenze ist die Sambre-Maas-Linie. An dieser Grenze
Wulle, Erdkunde für Lehrerbildungsanstalten I. 9
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Extrahierte Ortsnamen: Rhein-Marne-Kanal Rhein Burgund Rhein Frankreich Europas England Deutschland Belgien Frankreich Rohseide Frankreichs Frankreich Deutsche_Reich Deutschlands Frankreich England Frankreich Belgien Norddeutschland Niederbelgien Rheinischen
36 Ausbreitung der Reformation.
lichkeit von England hinstellte. Er zog die reichen Kirchengüter für sich ein und gestaltete die Kirchenverfassung um; aber die Lehren der katholischen Kirche behielt er zum größten Theile bei. So ward in England die Reformation von oben befohlen, während sie in Deutschland von dem innersten Kern des Volkes ausging. Erst unter Heinrichs Sohn Eduard Vi. (1547—1553) wurde die Reformation soweit durchgeführt, daß die anglikanische Kirche als eine protestantische betrachtet werden konnte.
Von Deutschland aus verbreitete sich der Protestantismus in Schweden, wo Gustav Wasa, der das Land von der Herrschaft der Dänen befreit hatte und zum König gewählt worden war (1523), nach persönlicher Rücksprache mit Luther die lutherische Religion zur Staatsreligion erhob. Dasselbe geschah in Dänemark und Norwegen. Im Allgemeinen kann man sagen, daß der Protestantismus seinen fruchtbarsten Boden bei den germanischen Völkern gefunden hat, in Deutschland und der Schweiz, in Holland, England, Dänemark, Norwegen und Schweden. Der römische Katholicismus wird vorzugsweise vertreten von den romanischen Völkern Europas, Italienern, Franzosen, Spaniern, Portugiesen. Bei den slavischen Völkern im Osten Europas, Russen n. s. f., ist die griechisch-katholische Kirche vorherrschend.
Iy. Der Mauernkrieg. Die Wiedertäufer in Münster.
1525. 1534.
In der Mitte der zwanziger und der Mitte der dreißiger Jahre entstanden in Deutschland verderbliche Empörungen und Ausstände, welche zum Theil wenigstens mit der Reformation zusammenhingen. Im Jahre 1525 brach der s. g. Bauernkrieg aus. Die Bauern lebten schon seit langer Zeit unter furchtbarem Druck der Fürsten, des Adels und der Geistlichkeit, die sie unter Verachtung aller menschlichen Rechte wie leibeigene Knechte behandelten. Die Bauern mußten schwere Abgaben zahlen, fast die ganze Woche srohnden,
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Extrahierte Personennamen: Heinrichs Eduard_Vi Eduard Gustav_Wasa Gustav
Extrahierte Ortsnamen: England England Deutschland Deutschland Schweden Dänemark Norwegen Deutschland Schweiz Holland England Dänemark Norwegen Schweden Europas Europas Deutschland